Im 18. Jahrhundert war die Landschaftsmalerei noch von einer romantischen Grundstimmung geprägt. Künstlerische Vorbilder wie Claude Lorrain gaben ein Kompositionsschema vor, das in der Regel aus der Kombination von heroischer sprich ungezähmter Landschaft und antiker Ruine bestand. In der Landschaft fanden sich geschichtliche Personen. Das bayerische Inntal und insbesondere die Gegenden um Brannenburg und Oberaudorf boten Künstlern beides, heroische Landschaft und mittelalterliche Burgen und Ruinen. Folgerichtig ging es also Ende des 18. Jahrhunderts darum, diese Gegend für die Künstler zu entdecken.
Unter dem Einfluss der aufkommenden Aufklärung wirkten für die Kunst engagierte Adelige, wie Maximilan V. Graf von Preysing - Hohenaschau und Graf Rumford, sowie für den Fortschritt in der Kunst begeisterte Gelehrte wie Lorenz von Westenrieder und Johann Georg von Dillis zusammen. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, das Inntal für die Malerei zu entdecken. Im Folgenden werden diese Persönlichkeiten deshalb in diesem Kontext beleuchtet.
Die Begrenzung des Zeitraumes auf das 19. Jh. fand nicht willkürlich statt. Vielmehr entwickelte sich die Landschaftsmalerei in diesem Zeitraum zu einem ganz und gar eigenen Typus. Gerade im Umfeld der aufstrebenden Kunststadt München fanden sich optimale Bedingungen hierfür. So waren es Maler aus vielen bedeutenden Kunstschulen, die nach München kamen, um ihre Kunst zu erlernen, zu entwickeln oder zu vervollständigen. Im nahen Inntal, beginnend mit der Ebene südlich von Rosenheim und endend mit dem weiten Talkessel bei Kufstein, blieb für Maler aller Gattungen - Landschafts-, Genre- und Tiermaler - kein Wunsch nach einem geeigneten Motiv unerfüllt.
Johann Maximilian V. Franz Xaver, Graf von Preysing-Hohenaschau (1736 - 1827)
Maximilian V. von Preysing gehörte der Hohenaschauer Linie der Preysings an. 1736 als zweiter von drei Söhnen des Stadthalters von Ingolstadt geboren, sollte er Geistlicher werden. Nach dem Tod seines älteren Bruders, Johann Ferdinand, wurde der 19jährige Oberhaupt der Aschauer Linie der Preysings. Max wurde auf die Universität nach Straßburg gesandt, wo er Philosophie und Jurisprudenz studierte. Nach dem Studium bereiste er Frankreich, die Niederlande und Holland, ließ sich am Hofe Ludwigs des XV. präsentieren und kehrte schließlich nach Bayern zurück. Kurfürst Maximilian Joseph III. ernannte ihn 22jährig zu seinem Kämmerer und zum Hofrat. 1767 trat er als Hauptpfleger von Rosenheim auf. Nach dem Tod des beliebten Kurfürsten folgte im Jahre 1777 Karl Theodor aus der Pfalz. Auch der Kurfürst Karl Theodor wusste die Fähigkeiten des Grafen Max von Preysing zu schätzen und ernannte ihn 1778 zum wirklichen Geheimrat, zum Hofrats- und Vizepräsidenten sowie zum Vorstand der Polizei-Deputation.
Für den Preis von 80.000 Gulden brachte Max V. von Preysing die Herrschaft Falkenstein im Jahre 1779 von den Grafen Ruepp an sich. Schloss Brannenburg erhielt von ihm seine dermalige Gestalt mit dem neuen Brauhaus, Schulhaus und Benefiziatengebäude.
Im 81. Lebensjahr und nach 59 Dienstjahren bat er 1817 um Enthebung von allen Staatsgeschäften, was ihm gewährt wurde. Im Sommer 1826 zog er sich auf das ihm als Vorausvermächtnis zugedachte Schloss Brannenburg zurück. Im Beisein seiner Söhne Maximilian und Christian sowie dem Enkel Wilhelm starb er 1827 mit 92 Jahren und wurde mit großem Geleit in Prien begraben.
Ihm ist es zu verdanken, dass er kunstinteressierte Adelige, Gelehrte und Künstler, die er aus der Residenzstadt München kannte, auf das malerische Brannenburg im Inntal aufmerksam gemacht und auf sein Schloss in Brannenburg eingeladen hat.
Im Jahre 1830 besuchte ein „Graf von Preysing, Major“ das Gasthaus Weber an der Wand in Oberaudorf und trug sich in das Gästebuch ein. Dabei könnte es sich um den Sohn Maximilian des Grafen gehalten haben [111].
Lorenz von Westenrieder (1748 - 1829)
Auch Lorenz von Westenrieder war für die Entdeckung der Gegend um Brannenburg als geeigneter Zielort für Landschaftsmaler von großer Bedeutung.
Westenrieder erhielt als Jesuiten-Schüler im Alter von 23 Jahren die Priesterweihe. Monate vorher hatte er seine Dispensation von der Kirchengebundenheit durchgesetzt, um als Weltpriester wirken zu können. Der Geistliche Westenrieder war ein Wegbereiter der Aufklärung in Bayern und dabei ein Anhänger einer gemäßigten Aufklärung.
Lorenz von Westenrieder kam gemäß seinen Tagebuchaufzeichnungen am 8. August 1780 als Gast des Grafen von Preysing im Schloss Brannenburg an. Die Besteigung des Wendelsteins schilderte er in einer aus heutiger Sicht äußerst überzogenen Ausdrucksweise, mit der er jedoch zur damaligen Zeit erstmals einem breiten Publikum die Schönheit der bayerischen Landschaft nahebringen konnte. Westenrieder gilt als einer der Entdecker der bayerischen Landschaft. In seinem Aufsatz "Über den Zustand der Künste in Bayern" schrieb Westenrieder um 1780 "Wir haben hier die herrlichsten Gegenden, und so ganz romantische Landschaften in Bayern, dass ich versichert bin, die größten Künstler, wenn sie selbe jemals gesehen hätten, würden sich freuen, ihr Talent hier zu üben, und ihre Werke, worin sie das Schönste der Natur sammeln, zu bereichern. Auch zweifle ich nicht, dass dies noch geschehen, und dass ein Ausländer kommen werde, seinen Namen durch das, woraus wir uns wenig zu machen scheinen, zu verherrlichen."
Was liegt näher als anzunehmen, dass Westenrieder damit gerade auch das Inntal bei Brannenburg meinte. Folgerichtig forderte Westenrieder von den Malern: "Studien in der Natur, Wiedergabe des bayerischen Landes."
Graf Rumford (1753 - 1814)
Graf Rumford wurde als Benjamin Thompson 1753 als Sohn eines kleinen Farmers in der Nähe von Boston (heute im Staat Massachusetts), geboren. Er war ein britischer Offizier, Politiker, Experimentalphysiker und Erfinder, den meisten ist er auch als Architekt und Initiator des Englischen Gartens in München bekannt.
Major Thompson, der sich im Nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg für die englische Kolonialmacht engagiert und sich somit den „Zorn“ der revolutionären Bevölkerung zugezogen hatte, verließ Amerika 1776 an Bord eines britischen Kriegsschiffs von Boston nach England. Nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges sah er keine Chancen mehr für seine militärische Laufbahn. So brach Thompson zum Kontinent auf, um hier seine Dienste anzubieten. In Strassburg wurde ein Neffe des Kurfürsten Karl Theodor auf ihn aufmerksam und so kam Thompson 1784 nach München und trat in die Dienste des Kurfürsten ein. Er organisierte die bayerische Armee neu, dessen Soldaten schlecht gekleidet, unterernährt und schlecht bezahlt waren. Eine ebenso große Armut herrschte zu dieser Zeit in ganz Bayern. 1788 legte er dem Kurfürsten einen Überblick über diese Missstände vor. Der Kurfürst war begeistert! So ernannte er ihn zum Kriegs- und Polizeiminister, Generalmajor, Kammerherr und Staatsrat und schließlich 1792 zum Reichsgrafen. Dafür wählte der Kurfürst den Namen der alten Stadt, wo Thompson seine Laufbahn begonnen hatte: Rumford in Massachusetts.
Graf Rumford, wie er nunmehr hieß, verfolgte auch den Plan, in München einen Hydepark wie in London als ungeheure grüne Lunge zu schaffen. Rumford formulierte die Idee zu seinem Park folgendermaßen: "Mein Werk soll nicht bloß einem Stande, sondern dem ganzen Volke zugute kommen."
Mit Johann Georg von Dillis war Rumford gut bekannt. Er ermöglichte ihm vielfältige Studien zur Malerei. Anfang der 1790er Jahre nahm er Johann Georg von Dillis auf eine Reise in die das bayerische Gebirge mit. Anschließend gab er ihm sogar den Auftrag, mit einer kurfürstlichen Apanage ins Alpenvorland zu ziehen, um dort Landschaften zu skizzieren und zu aquarellieren. Dies führte Dillis auch in das Inntal bei Brannenburg.
Johann Georg von Dillis (1759 - 1841)
Bereits früh begann Dillis in München, erste Freilichtstudien und Skizzen von Landschaftsausschnitten nach der Natur zu malen. Hierzu gab ihm der von Rumford und Sckell errichtete Park nach englischem Stile beste Gelegenheit. Solchen Studien kam immer größere Bedeutung zu. Sie dokumentieren sozusagen den Lernprozess vor der Natur. Die Natur sollte Lehrmeister der Landschaftsmaler sein. Vor Ort und in kürzester Zeit mussten die Kunstwerke erstellt werden. War hierzu zunächst die Aquarellmalerei verfeinert worden, ging Dillis mehr und mehr auf die Darstellung augenblicklicher Situationen von Landschaft unter dem Einfluss von Licht und Luft in Ölskizzen über. Darin erlangte er als einer der ersten deutschen Maler große Fertigkeit. Seine Ölstudien gelten zu Recht als Vorläufer des Impressionismus.
Von 1806 bis 1814 unterrichtete Johann Georg von Dillis an der zwischenzeitlich in München gegründeten Kunstakademie. Für die Erforschung der Malerei im Inntal ist interessant, dass Dillis zu diesem Zeitpunkt das Inntal bei Brannenburg bereits zu künstlerischen Aktivitäten aufgesucht hatte. Arbeiten mit Darstellungen der Biber bei Brannenburg aus den Jahren 1788 bzw. 1791 bezeugen dies.
In der Zeit seiner Lehrtätigkeit an der Akademie bat Dillis den König um Erlaubnis, sich mit seinen Schülern auf einige Wochen in die Gebirgsgegenden zu Studien vor der Natur begeben zu dürfen. Dem Antrag wurde schließlich 1814 im Namen des Königs durch den Staatsminister des Inneren, Maximilian von Montgelas, stattgegeben.
Schon nach nur acht Jahren, zunächst als Professor und später als Akademiedirektor für das Landschaftsfach, schmiss Dillis buchstäblich "die Brocken" hin. Anlässlich der Schließung der Landschaftsmalereiklasse 1826 schrieb Dillis an Ludwig I.: "In Erwägung, dass alle unsere Landschaftsmaler, welche eine große Zelebrität erhalten haben, das Lehrfach der Landschaftsmalerei gänzlich umgangen haben, so glaube ich, dass es überflüssig sei, für das Landschaftsfach einen eigenen Lehrer anzustellen, sondern der junge Künstler, welcher seine Vorbereitungsklassen mit Nutzen studiert hat, am besten tut, sich die Natur zu seinem Lehrer zu wählen".
Ein Aquarell "Hofmark Brannenburg", von Dillis um 1792 gemalt, ist wohl das erste Bild eines namhaften Malers vom Schloss Brannenburg und dem Inntal mit Heuberg und Kranzhorn im Hintergrund. Das Aquarell gehört zu den 12 Bildern, die Dillis im Auftrag von Graf Rumford von den schönsten Gegenden Bayerns gemalt hat.
Ein Zitat von Dillis aus dem Schriftwechsel mit König Ludwig I. vom 12. Mai 1811 bezeugt seine Begeisterung für das Inntal: "Bey diesen schönen Frühlingstagen – wie verlangt meine Künstler-Seele hin in das schöne Innthal, mit meiner Reißfeder der göttlich, jetzt so schön glänzenden Natur ihre Reize anzulocken: ewig Schade, dass ich nicht schon jetzt, schon heute, wo die Sonne so schön aufgeht und alles schöne noch schöner vergoldet, von diesem Steinhaufen mich losmachen kann, wo die Insekten nur sich so im Dunkel herumtreiben und keinen wahren Genuß gönnen."
Es ist nicht übertrieben zu behaupten, Bayern verdankt ihm vor Anderen die Entdeckung seiner Landschaft für die Kunst. Johann Georg von Dillis starb 1841 im Alter von knapp 82 Jahren in München.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich im ausgehenden 18. Jahrhundert mit Maximilian V. Graf von Preysing-Hohenaschau, Lorenz von Westenrieder, Graf Rumford und Johann Georg von Dillis Persönlichkeiten aus dem Adel, höchsten Regierungsstellen, Kunst und Wissenschaft kennengelernt haben, denen die Durchsetzung der Aufklärung gerade auch über den Weg der Kunst besonders am Herzen lag. Bei der praktischen Umsetzung gelang es Dillis, das bayerische Inntal den nachfolgenden Malergenerationen nahe zu bringen. Diesen vier Persönlichkeiten ist zu verdanken, dass sich bereits ab den 1840iger Jahren eine Künstlerkolonie in Brannenburg entwickelt hat.
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